Polizei Sachsen verstößt gegen Polizeigesetz bei der Durchsuchung von Personen

Nach §27 (3) Säch­sis­ches Polizeivol­lzugs­di­en­st­ge­setz (Säch­sPVDG) dür­fen kör­per­liche Durch­suchun­gen nur durch Beamte des gle­ichen Geschlecht­es durchge­führt wer­den. Seit der Entschei­dung des Bun­desver­fas­sungs­gericht­es im Jahr 2018 und der entsprechen­den Ein­führung des Geschlecht­sein­trages „divers“ sind endlich auch intergeschlechtliche Men­schen vor ein­er willkür­lichen Ver­let­zung ihres Schamge­füh­les geschützt – jeden­falls in der The­o­rie. In der Prax­is wird es in den meis­ten Fällen schw­er­fall­en, Beamte mit dem soge­nan­nten „drit­ten Geschlecht­sein­trag“ zu find­en. Dies wirft die Frage auf, nach welchen Maß­gaben die Polizei in solchen Fällen vorge­ht. Die linke Land­tagsab­ge­ord­nete Juliane Nagel hat nun mit ein­er Kleinen Anfrage zu diesem The­ma die diskri­m­inierende Prax­is der säch­sis­chen Polizei gegenüber Men­schen mit dem Geschlecht­sein­trag „divers“ aufgedeckt.

Dazu erk­lärt Juliane Nagel, Mit­glied der Frak­tion DIE LINKE im Säch­sis­chen Land­tag:

„Die Antwort auf meine Anfrage deckt erneut die Dimen­sion struk­tureller Diskri­m­inierung durch die säch­sis­che Polizei auf. Statt des grundge­set­zlich gesicherten Recht­es zum Schutz der Men­schen­würde, wer­den offen­bar Vorurteile über das Ausse­hen von Men­schen zum Maßstab polizeilichen Han­dels erhoben. Roland Wöller beweist mit sein­er Igno­ranz gegenüber der Entschei­dung des Bun­desver­fas­sungs­gericht­es und der ekla­tan­ten Mis­sach­tung der Grun­drechte von inter- und nicht-binären Men­schen erneut, dass er als Innen­min­is­ter vol­lkom­men ungeeignet ist. Spätestens bei der Unter­schrift unter die Anfrage hätte er ins Grü­beln kom­men und die Änderung der gängi­gen Prax­is ver­fü­gen müssen.“

Sarah Bud­de­berg, par­la­men­tarische Geschäfts­führerin und Sprecherin für Gleichstellungs‑, Inklu­sions- und Queer­poli­tik der Frak­tion DIE LINKE führt weit­er aus:

„Die Antwort des Innen­min­is­ters lässt jeglich­es Ver­ständ­nis für die Lage der Betrof­fe­nen ver­mis­sen und strotzt vor lauter Unwis­sen. Ohne jeden sach­lichen Anlass und Ein­griffs­befug­nis eine Geschlechts­bes­tim­mung durch­führen zu lassen, wäre nicht nur ein ein­deutiger Ver­stoß gegen das Grundge­setz, son­dern auch wis­senschaftlich betra­chtet grober Unsinn. Das Innen­min­is­teri­um höhlt damit durch die Hin­tertür auch die Rechte von Trans­men­schen aus, wenn Polizeibeamte sich angesichts dieser Regelung ver­an­lasst sehen, das ver­meintlich „echte“ biol­o­gis­che Geschlecht ent­ge­gen des im Ausweis doku­men­tierten Geschlecht­sein­trags festzustellen. Statt vorurteils­be­lastete Prak­tiken gegenüber Inter- und Trans­men­schen zu ver­fes­ti­gen, sollte ger­ade durch die Polizei als Vertreterin staatlichen Han­delns die Selb­st­de­f­i­n­i­tion der Bürger:innen akzep­tiert und ihre entsprechen­den Wün­sche respek­tiert wer­den.“

Bei­de Abge­ord­neten schla­gen abschließend vor:

„Wenn die säch­sis­che Polizei schon von dem geset­zlich geforderten Grund­satz bei der Durch­suchung durch eine gle­ichgeschlechtliche Per­son abwe­icht, sollte sie sich wenig­stens an der grun­drechtss­cho­nen­den Prax­is in anderen Bun­deslän­dern und bei der Bun­de­spolizei ori­en­tieren. So sieht beispiel­sweise das Bremis­che Polizeige­setz vor, dass sich inter- und nicht-binäre Per­so­n­en das Geschlecht der sie durch­suchen­den Per­son aus­suchen dür­fen. Dabei soll auch der Ergänzungsausweis der Deutschen Gesellschaft für Tran­si­d­en­tität und Inter­sex­u­al­ität e.V. als Nach­weis des „beson­deren Inter­ess­es“ akzep­tiert wer­den.“

Hin­ter­grund:

Die Bun­desregierung hat­te auf eine entsprechende Anfrage link­er Bun­destagsab­ge­ord­neter im ver­gan­genen Jahr zu der gle­ich gelagerten For­mulierung in der Straf­prozes­sor­d­nung (StPO) geant­wortet:

„Für Durch­suchun­gen nach der Straf­prozes­sor­d­nung gilt der Grund­satz, dass diese nicht von Ange­höri­gen des anderen Geschlechts durchge­führt wer­den sollen. Diese Vorschrift eröffnet die Möglichkeit, dass die durch­suchte Per­son bei einem berechtigten Inter­esse über das Geschlecht der durch­suchen­den Per­son bes­tim­men kann. Hier­durch soll das indi­vidu­elle Schamge­fühl berück­sichtigt und so die Ein­griff­s­in­ten­sität der Maß­nahme auf ein Min­dest­maß reduziert wer­den.“

Die Antwort des säch­sis­chen Innen­min­is­ters Roland Wöller ste­ht dazu in hartem Kon­trast. Laut dieser „ori­en­tiert sich die säch­sis­che Polizei am biol­o­gis­chen Geschlecht als ein­deutig fest­stell­barem Unter­schei­dungsmerk­mal. Durch­suchun­gen von Per­so­n­en wer­den entsprechend der geset­zlichen Regelun­gen durch Per­so­n­en gle­ichen Geschlechts bzw. durch Ärzte durchge­führt“.

Wöller ignori­ert dabei nicht nur, dass wed­er Polizeige­setz, Grundge­setz oder Per­so­n­en­stands­ge­setz ein „biol­o­gis­ches Geschlecht“ ken­nen. Vol­lkom­men unklar bleibt zudem, nach welchen Prämis­sen die Polizeibeamten die ange­blich „ein­deutige Fest­stel­lung“ tre­f­fen soll. Selb­st wenn ent­ge­gen der geset­zlichen For­mulierun­gen allein auf biol­o­gis­che Merk­male abgezielt wird, sind in der Wis­senschaft eine Vielzahl an Merk­malen bekan­nt, die für eine Beurteilung in Frage kom­men und teils wider­sprüch­liche Ergeb­nisse liefern.